Mentale Stärke, bedingungsloser Kampfgeist und Führungsqualitäten – das sind nur drei von vielen Eigenschaften, die im Mannschaftssport, insbesondere im Fußball, stets gefragt sind. Auch wenn technische Fähigkeiten eines Kaders unverzichtbar sind, wird dauerhafter Erfolg ohne eine Leitfigur, die in schwierigen Momenten vorangeht und das Team mitreißt, schwierig. Doch wie wichtig sind solche Eigenschaften im Scoutingprozess, und in welchem Maße wird bei der Jugendsichtung darauf geachtet? Welche Relevanz haben sie auf dem Weg zum Fußballprofi? Benjamin widmete sich diesen Fragen in seiner Masterarbeit, indem er Experten aus verschiedenen sportbezogenen und wissenschaftlichen Bereichen auf Grundlage des „Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – 6 Faktoren“ (BIP-6F), entwickelt von den Psychologen Rüdiger Hossiep und Claudia Krüger, befragte und deren Antworten anschließend auswertete. In unserer aktuellen Podcast-Episode berichtet er ausführlich über seine Erkenntnisse – hier im Blog gibt es die Essenz zum Nachlesen.
Es dürfte wenig überraschen, dass technische Fähigkeiten, physische Stärke und sportliches Talent die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Fußballkarriere bilden. Ohne spielerische Aufmerksamkeit erregt zu haben, wird man nicht entdeckt und für höhere Aufgaben berücksichtigt. Bedeutet das jedoch, dass auffälliges Verhalten und eine ausgeprägte Selbstdarstellung die Chancen erhöhen? Schließlich sind auch Teamgeist, Empathie und Mannschaftsdienlichkeit für ein gutes Team unerlässlich.
Benjamins Erkenntnisse zeigen, dass diese Frage unterschiedlich beantwortet werden kann. Zurückhaltende, introvertierte und mannschaftsdienliche Spieler können durchaus durch ihre überlegte und technisch versierte Spielweise auffallen, jedoch lenkt der dribbel- und zweikampfstarke extrovertierte, “lautere” Charakter zunächst mehr Aufmerksamkeit auf sich. Ist die ruhige Art also ein Nachteil? Zunächst ja, denn es fällt diesen Spielern schwerer, die Aufmerksamkeit von Trainern und Talentscouts zu erregen. Doch haben sie einmal den Sprung aus der Jugend in den Übergangsbereich erreicht, spielen ihre Stärken oft eine entscheidende Rolle. Hier sind viele junge Nachwuchstalente nicht mehr die „Stars“ ihres Teams, sondern befinden sich in einem Umfeld hoher Leistungsdichte. Extrovertierte selbstorientierte Spieler, die gewohnt sind, im Vordergrund zu stehen, können in dieser Situation Schwierigkeiten haben, während der zurückhaltende und anpassungsbereitere Teamplayer oft besser zurechtkommt, sich in dem neuen Teamgefüge ein- und unterzuordnen. Zudem haben stille Teamplayer oft eine realistischere Selbsteinschätzung (Demut) und betrachten Einsätze in der Regionalliga für das zweite Team der Profis eher als Chance statt als Degradierung.
Benjamin hat in seiner Arbeit basierend auf dem eingangs erwähnten BIP-6F sechs zentrale Charaktereigenschaften zugrunde gelegt, die auf dem Weg zum Profi eine gewisse Relevanz einnehmen und anhand deren Ausprägungsunterschiede er in seinen Interviews verschiedene Spielertypen ermittelt hat:
Engagement:
Wie ehrgeizig, anspruchsvoll und kompetitiv arbeitet der Spieler an seinen (Karriere-)Zielen und deren Realisierung?
Disziplin:
Wie sorgfältig, analytisch und strukturiert plant und agiert der Spieler?
Soziale „Kompetenz“:
Mit welchem Maß an Kontaktfreude, Enthusiasmus und Empathie agiert ein Spieler aktiv in sozialen Kontexten?
Kooperation:
Inwieweit arbeitet der Spieler anpassungsfähig und eigeninitiativ mit anderen zusammen?
Dominanz:
Wie selbstbestimmt, durchsetzungsstark und zielstrebig geht der Spieler eigenen Interessen nach und ist dahingehend bereit, notwendige Konflikte auszutragen?
Stabilität:
Wie gelassen, selbstbewusst und stresstolerant kann der Spieler unter schwierigen Bedingungen Leistung erbringen?
Darüber hinaus gibt es aber weitere Aspekte, die für den langfristigen Erfolg entscheidend sein können. Ein wichtiger Faktor ist hierbei die Spielfreude, die Fähigkeit, das „innere Kind“ zu bewahren und den „Beruf“ Fußball dauerhaft mit Freude und intrinsischer Leidenschaft auszuüben. Geht diese Spielfreude verloren und wird der Sport zur reinen Pflicht, drohen Lockerheit, folglich vielleicht die Kreativität, der Überraschungsmoment und mehr verloren zu gehen.
Kein Spielertyp ist per se gut oder schlecht. Jeder bringt seine Qualitäten in ein Team ein und prägt die Gruppendynamik. Unterschiedliche Eigenschaften können in verschiedenen Karriereabschnitten nützlich sein. Auch die Frage, ob ein heterogenes Team aus gegensätzlichen, sich ergänzenden Charakteren besser funktioniert oder eine homogene Gruppe erfolgreicher ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Sicher ist jedoch, dass unterschiedliche Spielertypen bei Teamentscheidungen Kompromisse eingehen müssen und dabei voneinander lernen und sich sowohl technisch als auch mental weiterentwickeln können. Jeder Mensch kann an seinen Fähigkeiten und Kompetenzen arbeiten, einschließlich mentaler Stärke (Resilienz) und Sozialkompetenz – dies ist einer unserer Leitsätze in der Traineraus- und -weiterbildung bei Spomind.
Mehr Details und weitere spannende Erkenntnisse erfährst Du in unserer aktuellen Podcast-Episode. Wir freuen uns über Dein Feedback und Deine Sichtweise zu diesen Fragen. Außerdem möchten wir Dich auf zwei weitere externe Podcast-Folgen hinweisen, in denen Benjamin seine Ergebnisse mit verschiedenen Experten diskutiert:
Mindgame Fußball Podcast:
Verfügbar auf
Teammensch Podcast:
Verfügbar auf